Am 16.10. berichtete die Eßlinger Zeitung über das Event mit Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin in unserem Econvent. Hier der ganze Artikel:

Manche denken noch immer, für Zoos würden Tiere in freier Wildbahn gefangen und eingesperrt. Das gilt schon lange nicht mehr, längst ist es umgekehrt: Zoos wildern bedrohte Arten aus und sorgen für deren Erhalt. Diese und viele andere spannenden Einsichten gab Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin im Econvent. Er stellte sich dort vor etwa 30 Zuhörern den Fragen von Alexander Maier und wünscht sich Zoos als „moderne Artenschutzzentren“.

Wollte Thomas Kölpin schon immer Zoodirektor werden? Nein, sein ursprünglicher Traum war Tierforscher. Als Kind hielt er zuerst Meerschweinchen, das mit den Vogelspinnen fanden die Eltern für einen Grundschüler dann nicht mehr so gut. Seine Diplomarbeit und Doktorarbeit schrieb Kölpin über Schlangen. Den klassischen Werdegang zum Zoodirektor, sagte er, gebe es nicht mehr: Manche seien vorher Architekten gewesen oder hätten Filme gedreht. Ein Zoodirektor müsse nicht nur mit Tieren, sondern auch mit Menschen gut umgehen können – mit Mitarbeitern, Politikern und Besuchern.

Kölpins Dienstwohnung liegt mitten in der Wilhelma. „Ich mache morgens meine Runde“, sagt der Chef von 320 Mitarbeitern und eines Etats von 23 Millionen Euro. Kölpin hat in der Wilhelma „eigene“ Tiere, für die er die Verantwortung trägt und die er selbst pflegt. Seiner Liebe zu großen Tieren folgend sind das Elefanten, Nashörner und Tapire. „Derzeit lerne ich meine drei Töchter ein.“ Seine Tiere zuhause sind etwas kleiner, es sind Schlangen und Spinnen.

Sein Beruf verlässt den Zoodirektor auch im Urlaub nicht, das Handy meldet sich auch dort, außerdem stehen Zoobesuche an. Doch der Blick geht weiter, Kölpin besucht auch die natürlichen Lebensräume von Tieren, etwa von Elefanten in Indien. Denn diese Lebensräume sind Vorbild für die Planung von neuen Gehegen. „Es muss immer etwas Neues geben“, sagt der Zoodirektor mit Blick auf die vielen Konkurrenten bei Freizeitaktivitäten. Am Wochenende blicke er schon mal hinüber aufs Parkhaus, ob es auch gut belegt sei. Von der Radiomeldung, es sei voll, solle sich aber keiner abschrecken lassen, dann sei in der Wilhelma noch immer viel Platz. Der Besucherrekord liegt bei 22 500 Besuchern, das war einmal an Halloween.

Der Masterplan eines Zoos kann sich schnell über 30 Jahre erstrecken. Beim neuen Gehege für die Schneeleoparden ging es schneller: Die Idee stammt von 2014, vier Jahre später war es fertig. Ziel sei, die Tiere in einer natürlichen Umgebung zu zeigen, dennoch habe jeder Zoo noch alte Anlagen. Auf der einen Seite will die Wilhelma Biodiversität zeigen, sie ist nach Berlin der artenreichste Zoo in Europa. Auf der anderen Seite gibt sie aus Platzgründen auch Tiere ab, dies war bei den Flusspferden der Fall. Jede Tierart sei im Zoo zu halten, sagt Kölpin. „Ich brauche eine gute Sozialstruktur, nicht 100 Quadratkilometer.“

Auch Kinder sollten schon sehen, dass Raubtiere andere Tiere fressen. Entsprechende Fütterungen würden vorher angekündigt, sie erzeugten keinen Aufschrei. Es gebe einen Paradigmenwechsel weg von der „heilen Welt“ zur Umweltpädagogik. Für manchen Städter sei der Zoo die einzige Begegnung mit der Natur. In der modernen Haltung gebe es aber weniger Kontakt mit Menschen, die Elefanten sollten im Familienverband wie in Indien leben. „Es gibt dann keine Streichelelfanten mehr.“

Lebt ein Tierpfleger gefährlich? Nein, aber: „Es wird gefährlich, wenn er Fehler macht, das gibt es in anderen Berufen auch.“ Gefährlich könne eine Begegnung mit Elefanten sein. Was von Elefant zu Elefant ein Klaps mit dem Rüssel sei, könne für den Tierpfleger tödlich enden. Muss diese Personalisierung von Tieren sein, mit Namen? „Wir brauchen diese Identifikationstiere als Botschafter, nur dadurch kriege ich die Emotionen. Wenn ich ein Eisbärbaby mit dem Klimawandel verbinde, bekomme ich vielleicht ein anderes Verhalten.“

Dass der Ruf der Wilhelma-Gastronomie gelitten hatte, gibt der Zoodirektor offen zu: „Es war eindeutig, dass man was machen musste.“ Ein Ziel mit dem neuen Betreiber sei mehr Nachhaltigkeit, etwa durch regionalen Einkauf. „Wir haben die Vorbildfunktion als Ganzes.“

Säugetiere würden nicht mehr in Zoos gebracht, betonte Kölpin. Nur bei Fischen gebe es noch Wildfänge. Bei der Vermehrung läuft es ganz unterschiedlich: Spinnen seien beim Partner extrem wählerisch, bei den Schimpansen sei das kein Problem. Orang-Utans kann man Videos zeigen, wie das beim Menschen so geht, sie lernen daraus. Zu den aktuellen Auswilderungsprojekten gehören Gänsegeier für Bulgarien und demnächst Italien und Moorenten für das Steinhuder Meer, alles in internationaler Absprache und mit anschließender Evaluation.

Wie ist das mit dem Nachwuchs an Personal? Bei den Tierpflegern gibt es sehr viele Bewerbungen, wegen der realistischen Erwartungen ist vorab ein Praktikum Pflicht. Handwerker und Techniker sind schwierig zu bekommen, weil sie anderswo besser bezahlt werden. Tierärzte sind kein Problem, aber fast immer Frauen. „In der Ausbildung kommt auf 600 Frauen nur ein einziger Mann. Warum, das so ist, ist uns ein Rätsel.“

Zuerst veröffentlicht in der Eßlinger Zeitung am 16.10.2018 vom Autor: Peter Dietrich